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Der schlimmste Tag meines Lebens

Aktualisiert: 23. Sept. 2018

(Zum vollen Verständnis zuerst den Beitrag "Der Weg zur Diagnose" lesen)


Und mit der Bahnfahrt Richtung Heimat um 5 Uhr morgens, beginnt er - der schlimmste Tag meines Lebens.


Die Angst der letzten Nacht sitzt mir immer noch tief in den Gliedern, während ich am überlaufenen Bahnsteig auf meine Bahn warte. Nach dem Telefonat mit meinen Eltern, habe ich direkt meine Tasche gepackt und erfolglos versucht mich mit Serien abzulenken, bis ich um 5 Uhr den ersten Zug nehmen konnte. An Schlaf war nicht zu denken.

Die Bahnfahrt dauert circa eine Stunde und kommt mir dieses Mal noch länger und unerträglicher vor als sonst. Je näher ich meinem Zuhause komme, desto stärker wird meine Angst. In Gedanken habe ich den bevorstehenden Arztbesuch unzählige Mal durchgespielt, aber keines der Szenarien konnte die tatsächlichen Ausmaße des Bevorstehenden erahnen.

Zuhause angekommen, melde ich mich bei der Arbeit krank, vereinbare für 12 Uhr einen Notfalltermin bei meiner Frauenärztin und warte weitere fünf unruhige Stunden.


Mittags liege ich dann endlich bei meiner Ärztin auf der Liege und lasse den besagten Knoten in der Brust per Ultraschall untersuchen. Auf dem Bildschirm erscheint ein runder, schwarzer Fleck, welchen sie vorerst eindeutig als Zyste einordnen kann.

Mir fällt ein Stein vom Herzen, das war genau was ich hören wollte.

Beiläufig habe ich meine geschwollenen Lymphknoten im Halsbereich erwähnt, weshalb sie diese – „wenn sie schon dabei ist“ – auch noch sonographisch untersucht.

Diesmal kann man nicht nur einen schwarzen Fleck erkennen, sondern gleich eine ganze Handvoll auf einmal. Ohne etwas zu sagen, wendet sich die Ärztin von mir ab, druckt die Ultraschallbilder und setzt sich an ihren Schreibtisch um diese nochmals genauer anzuschauen. In dem kleinen Untersuchungsraum hängt eine unangenehme, drückende Stille.

Einige Momente später dreht sie sich wieder zu mir, reicht mir Tücher zum Abtrocknen und fängt an zu sprechen:


„Ich kann ihnen versichern, dass sie keinen Brustkrebs haben.

Und dann kam es, das große Aber:

Aber ich habe beim Schallen mehrere auffällige Lymphknoten entdeckt. Auch bei dem Knoten in der Brust, handelt es sich um einen auffällig vergrößerten Lymphknoten. Für mich sieht das eindeutig aus wie ein Lymphom, d.h. Lymphdrüsenkrebs. Es ist wichtig, das zügig abklären zu lassen.“


Und plötzlich bricht alles in mir zusammen.

Das kann nicht sein, unmöglich. Sowas passiert nicht wirklich und schon gar nicht mir.

Es fühlt sich an als würde mir jemand mit aller Kraft und purer Gewalt die Luft zudrücken.

Alles um mich herum verschwimmt und in mir breitet sich schleichend eine Ohnmacht aus, die mich nur noch meinen eigenen Herzschlag spüren lässt.

Mein Kopf dröhnt.

Ein schreiender Schmerz schießt durch meinen Körper und lässt alles in mir erzittern.

Ich warte was passiert, aber da ist nichts außer meinem rasenden Herz und dieser riesigen, schmerzhaften Angst, die mich langsam zu verschlingen scheint.

Selten habe ich mich so hilflos und alleine gefühlt.

Hilflos gegenüber der Gewissheit, dass es kein Zurück mehr gibt und die Welt sich einfach rücksichtlos weiterdrehen wird.

Alleine mit der Angst vor diesem fiesen Krebs, der mein Leben schlagartig in Gefahr bringt.


Für diesen einen Moment scheint die Welt still zustehen und den Atem anzuhalten, um sich dann aber in gewohnter Manier weiterzudrehen.

Ich sitze auf dem einzigen Stuhl im Raum, zittere am ganzen Körper und schaue abwechselnd vom Boden in das erstarrte Gesicht meiner Mutter und wieder zurück.

Was dann alles passierte oder gesagt wurde, weiß ich gar nicht mehr genau. Woran ich mich jedoch erinnere ist, dass ich einfach nur weg wollte, ich hielt es in dem Zimmer keine Minute länger aus.

Kaum als ich die Praxis verlassen hatte, fanden meine Tränen keinen Halt mehr.

Den restlichen Tag verbrachte ich nachmittags bei meinem Hausarzt, erlebte nochmal dasselbe in grün und lag ansonsten in komatösem Zustand auf dem Sofa und durchlebte ein reges Wechseln zwischen Panikattacke und Erschöpfungsschlaf.


Das alles kam mir vor wie eine Szene im Film oder ein schlechter Traum, auch im Nachhinein wirkt die Situation immer noch unfassbar und surreal.

Daher ist es unglaublich schwer Worte für das zu finden, was ich in dem Moment gefühlt oder gedacht habe und ich glaube für Außenstehende ist es unmöglich nachzuempfinden wie es sich anfühlt, plötzlich mit einer Krebsdiagnose konfrontiert zu sein.

Aber diese Mischung aus Verzweiflung, Traurigkeit und einer riesigen, blanken Angst ist so unglaublich schwer auszuhalten, ich wollte nur noch auf Off drücken um nie wieder etwas fühlen oder denken müssen.


Doch obwohl alles in Schutt und Asche lag, war mir schon an diesem Tag klar, dass ich kämpfen will und werde um Hodgkin souverän die Stirn zu bieten.

Denn wenn ich nun eins weiß, dann dass das Leben absolut lebenswert ist und es sich lohnt zu kämpfen!



 
 
 

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